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Das spielerische Quartett: Fritsch, Kessler, Franke und Gosch

Manuel Fritsch, Stephan Kessler, Tobias Franke und Gastkritikerin Alexandra Gosch sprechen über „Sky Team“ von Luc Rémon (Kosmos und Scorpion Masqué), „Trekking“ von Charlie Bink (Game Factory), „Surfosaurus Max“ von Ikhwan Kwon (Loosey Goosey) und „Jekyll and Hyde vs. Scotland Yard“ von Olivier Cipière und Geonil (Nice Game und Mandoo Games).

Folge 44: Das spielerische Quartett #22

Wieder stecken in unserer aktuellen Ausgabe des spielerischen Quartetts vier kluge Menschen ihre Köpfe zusammen, um über vier aktuelle Spiele zu sprechen. Aus der Jury Spiel des Jahres sind dabei: Manuel Fritsch, Stephan Kessler und Tobias Franke. Als Gastkritikerin ist Alexandra Gosch eingeladen, die in ihrem Youtube-Kanal „Boardgame Pirates“ in der weiten See der Spieleneuerscheinungen nach Schätzen Ausschau hält. Die Runde wird moderiert von Manuel Fritsch.

Besprochen werden in dieser Ausgabe: „Sky Team“ von Luc Rémon, erschienen bei Kosmos und Scorpion Masqué, „Trekking“ von Charlie Bink, erschienen bei Game Factory, „Surfosaurus Max“ von Ikhwan Kwon, erschienen bei Loosey Goosey Games, und „Jekyll and Hyde vs. Scotland Yard“ von Olivier Cipière und Geonil, erschienen bei Nice Game und Mandoo Games.

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Förderprogramm 2024: 97.000 Euro für spielerische Projekte

Es ist eine echte Erfolgsgeschichte: Seit 2012 unterstützt der Verein Spiel des Jahres Gruppen und Einrichtungen finanziell bei der Umsetzung ihrer spielerischen Projekte. Das Förderprogramm für Aktionen, Veranstaltungen, Ludotheken und noch viel mehr stößt in jedem Jahr auf breite Resonanz.

Der Verein Spiel des Jahres freut sich sehr, dass im Jahr 2024 stolze 85 Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund 73.000 Euro gefördert werden können. Um welche Projekte es sich dabei genau handelt, ist unter „Geförderte Projekte“ ➜  aufgelistet. Dort sind auch die Projektberichte der vergangenen Jahre hinterlegt. Außerdem fließen 24.000 Euro in wissenschaftliche Projekte der Hochschulen in Bonn und Köln sowie das zu den Museen der Stadt Nürnberg gehörende Deutsche Spielearchiv. Somit beträgt die Gesamtfördersumme 97.000 Euro.

Mit dem geförderten Projekt am Ostalb-Gymnasium in Bopfingen verbesserten Schülerinnen und Schüler ihre Erklär- und Präsentationskompetenz

Erklärbären to go: Ein Leuchtturm-Projekt

Ein ganz besonderes Projekt wurde vom Jugendausschuss der Evangelischen Kirchengemeinde im unterfränkischen Sommerhausen eingereicht. Vier Jugendliche setzen sich dort mit viel Herzblut für die Jugendarbeit in der Kirchengemeinde ein. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, andere Jugendliche für das Spielen zu begeistern und anschließend zu ehrenamtlichen Spiele-Erklärer:innen auszubilden. Gemeinsam mit diesen gehen sie dann in die örtlichen Kindergärten und spielen dort regelmäßig mit den 3- bis 6-Jährigen. Es ist wirklich bewundernswert, mit wie viel Hingabe und Engagement sie dabei sind. Außerdem ist es toll, dass sie ihr Wissen und ihre Begeisterung für das Kulturgut Spielen an andere weitergeben.

Forschungsprojekte in Köln und Bonn

Der Verein fördert außerdem zwei große universitäre Projekte: Das Projekt „Bretter, die die Welt bedeuten: Imaginationwelten des Brettspiels als Kulturgut” am Bonn Lab for Analog Games and Imaginative Play der Universität Bonn wird mit rund 14.000 Euro unterstützt. Neben der grundlegenden Einführung der vom Projekt adressierten Menschen in die Thematik „Kulturgut Brettspiel“ ist auch die Integration des Brettspiels in die universitäre Lehre ein wesentlicher Bestandteil des Projekts. Neben Europäischen-asiatischen Spieleabenden am Institut für Orient- und Asienwissenschaften ist die Weiterbildung von Studierenden mittels Workshops zu „Brettspielbotschafter:innen“ – mit einem Fokus auf Integrationsarbeit – geplant. Im Folgesemester erfolgt schließlich die praktische Umsetzung der zuvor erarbeiteten Inhalte in der Integrationsarbeit. Das gesamte Projekt wird begleitet von Workshops im Rahmen der Wissenschaftskommunikation, um Aufmerksamkeit für das Brettspiel als Kulturgut in der Universität Bonn und der Stadtöffentlichkeit zu erzeugen. Hierzu werden Expert:innen aus der laufenden Brettspielforschung als Vortragende eingeladen.
Die Universität zu Köln widmet sich in Zusammenarbeit mit der Hochschule Macromedia der medienkulturwissenschaftlichen Forschung zum Kulturgut Brettspiel, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf dem Konzept der Transmedialität liegt. Die Förderung des Projekts beläuft sich auf 4.500 Euro. Im Rahmen eines zweitägigen Workshops unter dem Arbeitstitel „Brettspiele und Transmedialität: Adaptionen, Erweiterungen, Bezugnahmen“ werden Forscher:innen der Medienkulturwissenschaft und Spielkultur zu einem Austausch eingeladen. Die Veranstaltung wird in Präsenz stattfinden, jedoch auch online gestreamt werden. Im Rahmen der Untersuchung werden Brettspiele hinsichtlich ihrer Rolle als von der populären Kultur und zeitgenössischen Diskursen beeinflusste Träger von Bedeutungen, Ideologien und Weltanschauungen analysiert. Die Adaption von Themen aus Romanen, Filmen und Literatur in Brettspielen wirft die Frage auf, welche Techniken dabei zum Einsatz kommen und welche Auswirkungen dies auf die Spielerfahrung hat.

Sammlung Mensenkamp

Die Förderung des Deutschen Spielearchivs Nürnberg erfolgt durch eine Summe in Höhe von 6.000 Euro. Die historische Sammlung von Dieter Mensenkamp aus Detmold umfasst mehr als 5.000 Spiele aus über 300 Jahren Spielegeschichte, die in jahrzehntelanger Arbeit zusammengetragen und systematisiert wurden. Die Sammlung zeichnet sich insbesondere durch ihre Vielfalt sowie den exzellenten Zustand vieler Objekte aus, welche umfassende Einblicke in gesellschaftliche, politische und kulturelle Strukturen der Vergangenheit bieten. Zudem präsentiert sie die Geschichte der Nürnberger Spieleherstellung in neuem Licht. Im Rahmen einer Sonderausstellung im Spielzeugmuseum soll nun aufgezeigt werden, welche Schätze der Spielkultur durch diese private Sammelleidenschaft bewahrt werden konnten. Die Ausstellung präsentiert eine Vielzahl an Objekten, die durch ihre prachtvolle Illustration, ihre thematische Vielfalt sowie ihre Einzigartigkeit in Form und Inhalt bestechen. Die Exponate umfassen Zeugnisse kulturellen Wandels und menschlichen Handelns, die von der Industriellen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg und in die 1950er Jahre hineinreichen.

Kritikenrundschau: The Vale of Eternity – Drachen zähmen schwer gemacht

Wasserwesen, Luftwesen, Erdwesen – und natürlich Drachen: „The Vale of Eternity“ (Eric Hong bei Pegasus Spiele und Mandoo Games) ist bevölkert von einer bunten Menagerie mythischer Wesen. Und sie alle wollen ihren Beitrag zur wachsenden Anzahl an Siegpunkten leisten. Wenn da nicht die ein oder andere Regelbeschränkung im Weg wäre. Unsere Jurymitglieder sind in ihren jeweiligen Medien ins Tal der mythischen Kreaturen herabgestiegen und haben versucht, sie für viele, viele Siegpunkte zu zähmen.

„Wir sammeln Karten und spielen sie aus“, erklärt Udo Bartsch das Spiel. „Die Karten (eigentlich: ‚Kreaturen‘) haben Sofort- oder permanente Effekte oder einen Effekt, der exakt einmal pro Runde ausgeführt wird. Die schönsten Effekte bringen Punkte. Denn um Punkte geht es nun mal. Erreicht jemand 60, endet die Partie. ‚The Vale of Eternity‘ ist also ein Wettlauf. Karten auszuspielen, kostet zwischen null und zwölf Geld (‚Runensteine‘). Es gibt nur Einer-, Dreier- und Sechser-Münzen. Ich darf nicht wechseln. Und ich darf nur vier Münzen besitzen. Neue Münzen erhalte ich entweder über Effekte meiner gespielten Karten. Oder indem ich auf das Nehmen von Karten verzichte. In meinem Spielzug darf ich außerdem Karten von meiner Hand spielen und Karten aus meiner Auslage abwerfen, was zwar Geld kostet, manchmal aber nötig ist, um weitere Karten spielen zu dürfen. Denn man darf nie mehr ausliegen haben, als die aktuelle Rundenzahl beträgt.“

„Steten Druck“ fühlt Bartsch vor allem durch das Münzmanagement. „Es würde mich ärgern, Münzeinnahmen verfallen zu lassen, weil mein Münzvorrat zu groß ist. Im Bestfall gebe ich also erst mal viel aus, bevor ich große Einnahmen kassiere. Aber vielleicht reicht mein Vermögen nicht, und ich müsste zuerst noch was einnehmen, bevor ich meine Wunschkarte spielen kann… Dilemma!“, schreibt er. Gleichzeitig sieht er in dem Spiel einen großen Glücksfaktor am Werk: „Insofern ist es natürlich auch Glück, ob die Dinge eintreffen, wie ich sie mir ausmale, ob Karten kommen, auf die ich mit meinem eingeschlagenen Weg spekuliere. In manchen Partien läuft wenig zusammen, und da ist es immerhin ein Trost, dass spätestens nach zehn Runden Schluss wäre, selbst wenn niemand die 60 Punkte knackt.“ Das Tempo des Spiels könne durch Erstspieler gebremst werden, „gerade zu viert, wenn jedes Mal acht Karten ausgelegt werden, die alle Spieler:innen lesen und erfassen müssen. Der Kartenmarkt ist kreisförmig angeordnet. Deshalb liegt immer irgendwas für irgendwen über Kopf“, schreibt Bartsch. Dieser „mühsame“ Einstieg sei ein Manko des Spiels. Dennoch: „Erfahrungen mit Gruppen, die das an sich schnelle Wettlaufspiel durch langes Kartenanalysieren und Karten-noch-mal-Analysieren in ein Schneckenrennen verwandeln, sehe ich als Problem dieser Gruppen an, nicht des Spiels“, urteilt Bartsch. Insgesamt ist er von dem Spiel „positiv überrascht“: „‚The Vale of Eternity‘ ist eine Spielwiese, die mich zu immer neuen Partien verlockt, weil ich neugierig bin, was beim nächsten Mal passiert, welche Effekte und Kombinationen sich ergeben, ob sich gar noch eine ganz andere Siegstrategie finden lässt“, schreibt er. Für ihn ergibt sich immer wieder ein „hoher Wiederspielreiz“. Bartsch befindet: „Das ist gut designt.“¹

Auch Manuel Fritsch empfindet „The Vale of Eternity” zeitweise als „Glücksspiel“. Es sei aber auch ein Spiel „wo man die Interaktion nicht unterschätzen darf. Man sieht schon: Die Kreatur muss ich jetzt nehmen, weil sie jemand anderem zu viele Punkte bringt. Das ist eine zu starke Kombo“, sagt er. „Und das mag ich an ‚Vale of Eternity‘: Wir basteln nicht alle vor uns hin, sondern es ist wirklich entscheidend, zu gucken.“ Am Ende sei das Spiel ein „Wettrennen“. Der Spielspaß ergibt sich für Fritsch daraus, „diese coolen Kombos zu finden“. Deshalb funktioniere es nach zwei, drei Partien ein wenig besser: „Da hast du die Kreaturen alle schonmal gesehen, und dann wird das Spiel noch einen Ticken reizvoller“, sagt er. Das Spiel mache im Raum zwischen seiner „Kombinationsvielfalt“ und den Beschränkungen „mechanisch so vieles so elegant“, meint Fritsch, und das findet er „wirklich, wirklich toll“. Dass die Karten im Kreis ausgelegt werden, ist für ihn kein Problem. „Mein Gott, dann nimmt man sie halt kurz in die Hand und liest sie. Oder man liest sie gemeinsam durch. Nach ein paar Partien hat man die Karten dann auch drauf.“²

Für Tobias Franke ist ein Vorteil von „The Vale of Eternity“, „dass man mit wenigen Karten anfängt. Du kommst sehr gut in das Spiel rein, und je länger das Spiel geht, desto mehr Möglichkeiten hast du. Am Anfang ist das noch sehr begrenzt.“ Auch er weist auf die Glückskomponente hin: „Du bist immer von der Kartenauslage abhängig.“ Es gebe starke Kombinationen, aber auch nicht „diese eine Killerkombi. Je besser ich die Karten kenne, desto mehr bin ich im Vorteil.“ Gut findet er, dass die unterschiedlichen Farbfamilien aufeinander aufbauten. „Ich finde, dass die ihre eigenen Klammern haben.“ Franke hat allerdings auch Kritikpunkte: „Wenn du am Anfang schlecht gespielt hast oder Pech hattest“, dann könne es sein, dass „der Zug abgefahren ist. Dann gucke ich den anderen dabei zu, wie sie den Sieg unter sich ausmachen“, sagt er. Außerdem reize ihn das – eher generische – Thema nicht. Zwar seien die „mechanischen Kniffe durchaus überzeugend“. Doch: „Wenn da eine andere Verpackung darauf wäre, das wäre das i-Tüpfelchen. Ich finde das ein tolles Spiel, aber es emotionalisiert mich nicht, es nimmt mich nicht mit“, schließt Franke.³

Martina Fuchs „muss jede Runde mit dem klarkommen, was da aufgedeckt liegt“. Weiter sagt sie über „The Vale of Eternity“: „Ich versuche irgendwelche coolen Kombinationen mit den Wesen zu bauen, möglichst eine Engine aufzubauen, die was miteinander zu tun hat.“ Allerdings spiele man das Spiel „nicht nur nebeneinander her. Man muss schon genau darauf achten, was die anderen machen. Wenn man den Leuten die Karten lässt, die viele Punkte bringen, wird es schwer, mitzuhalten.“ Es könne durchaus passieren, dass jemand 30 Punkte mehr hat als die anderen“, sagt sie. Dreh- und Angelpunkt sei für sie der Geldmechanismus mit seinen Beschränkungen. Das klappe „erstaunlich gut“. Die Freiheiten, die das Spiel lasse, gefallen ihr: „Ich kann so viele Karten auf der Hand haben, wie ich will, um mir auch die Möglichkeit zu lassen, zu reagieren.“ Außerdem sei – nach der Phase des Kartenziehens – „überhaupt nicht vorgeschrieben, wann ich welche Aktionen mache“. Dennoch seien die Regeln „für ein Spiel dieser Variabilität“ schlank, stellt sie fest. Ein kleiner Kritikpunkt ist für sie die Karten-Anordnung: „Ich kann die Karten nicht so legen, dass sie jeder immer lesen kann. Ich kann mir nur sehr schwer den Überblick über alle Karten holen.“ Zusammenfassend meint sie, dass das Thema cool und die Karten schön gezeichnet seien. Das mache Lust, es zu spielen.

¹ Rezensionen für Millionen: The Vale of Eternity
² Insert Moin: Le Brett vom 15.3.2024 (kostenpflichtig)
³ Cocktails for Meeples 015: The Vale of Knowledge
Fux&Bär: The Vale of Eternity: Ist das gut oder kann das weg?

Podcast Folge 43: Tag der Brettspielkritik – Vom Text über den Tellerrand

Drei der Vortragenden vom Tag der Brettspielkritik haben wir in dieser Folge unseres Podcast eingeladen, um den Tag der Brettspielkritik noch einmal Revue passieren zu lassen: Lino Wirag, Wiebke Waburg und Fabian Ziehe erzählen von ihrem Programm und vertiefen es.

Der Kulturwissenschaftler Lino Wirag, plädierte in einem Impulsvortrag dafür, Brettspiele als Kulturgut in größeren kulturellen Kontexten zu betrachten. „Der geisteswissenschaftliche Ansatz fragt: Was sagt uns dieses oder jenes kulturelle Produkt eigentlich über unsere Kultur, über uns selber, über die Psychologie, über das Spielen selber?“, erklärt Wirag im Podcast. Diesen Denkstil könne man lernen und üben.

Wiebke Waburg, Professorin an der Universität Koblenz leitete eine Diskussionsgruppe zum Thema Diversität und Brettspiele und erzählt: „Der Diskurs über Diversität in der Gesellschaft ist ganz aktuell, der wird schon über Jahre führt, aber aktuell wird er vermehrt geführt.“ In Ihrem Vortrag konnten die Teilnehmenden in Mannheim lernen, dass eine diversitätssensible Auseinandersetzung mit Spielen auf vielen Ebenen möglich ist.

Der SWR-Journalist Fabian Ziehe, der auch als Autor in der „Spiel doch!“ und der „Spielbox“ aktiv ist, leitete eine Arbeitsgruppe zum Thema „Kurz, lebendig und verständlich formulieren“. In siebeneinhalb Punkten für gutes Texten – wie zum Beispiel starker Verben statt protziger Adjektive zu benutzen – vermittelte er Handwerkszeug. Im Podcast erklärt er: „Die bessere Lesbarkeit eines Textes sorgt dafür, dass die Lesbarkeit für viele Gruppen erhöht wird.“

Folge 43: Vom Text über den Tellerrand

Im März diesen Jahres fand in Mannheim zum dritten Mal der Tag der Brettspielkritik statt. Das vom Verein Spiel des Jahres organisierte Treffen ist ein Wochenende für Menschen, die sich mit der Kritik von analogen Spielen befassen: 75 Podcaster:innen, Youtuber:innen und Schreiber:innen waren gekommen. Das Programm umfasste Arbeitsgruppen, Podiumsdiskussionen und – selbstverständlich – auch ausgedehnte Spiele-Abende. Ziel war für die Teilnehmenden, das eigene journalistische Handwerk zu reflektieren und im Austausch miteinander zu verbessern. Und dabei auch den Blick über den Tellerrand zu wagen.

Wirag

Lino Wirag (oekotest.de/utopia.de) möchte, dass Brettspiele gelesen und interpretiert werden.

Drei der Vortragenden haben wir in dieser Folge unseres Podcast eingeladen, um den Tag der Brettspielkritik noch einmal Revue passieren zu lassen.

Der Kulturwissenschaftler Lino Wirag, plädierte in einem Impulsvortrag dafür, Brettspiele als Kulturgut in größeren kulturellen Kontexten zu betrachten. „Der geisteswissenschaftliche Ansatz fragt: Was sagt uns dieses oder jenes kulturelle Produkt eigentlich über unsere Kultur, über uns selber, über die Psychologie, über das Spielen selber?“, erklärt Wirag im Podcast. Diesen Denkstil könne man lernen und üben.

Wiebke Waburg, Professorin an der Universität Koblenz leitete eine Diskussionsgruppe zum Thema Diversität und Brettspiele und erzählt: „Der Diskurs über Diversität in der Gesellschaft ist ganz aktuell, der wird schon über Jahre führt, aber aktuell wird er vermehrt geführt.“ In Ihrem Vortrag konnten die Teilnehmenden in Mannheim lernen, dass eine diversitätssensible Auseinandersetzung mit Spielen auf vielen Ebenen möglich ist.

Podiumsdiskussion

Was macht das Spiel mit den Menschen? Valentin Köberlein und Sarah Klöfer (Uni Konstanz) sowie Tobias Franke (fjelfras.de), Wiebke Waburg (Uni Koblenz) und André Maack (Ravensburger) sprechen über Realität und Theater, Diversität und Kolonialismus.

Der SWR-Journalist Fabian Ziehe, der auch als Autor in der „Spiel doch!“ und der „Spielbox“ aktiv ist, leitete eine Arbeitsgruppe zum Thema „Kurz, lebendig und verständlich formulieren“. In siebeneinhalb Punkten für gutes Texten – wie zum Beispiel starker Verben statt protziger Adjektive zu benutzen – vermittelte er Handwerkszeug. Im Podcast erklärt er: „Die bessere Lesbarkeit eines Textes sorgt dafür, dass die Lesbarkeit für viele Gruppen erhöht wird.“

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Event der Vielfalt in Grenzach

Mehr als 30 Menschen kamen im März im Familienzentrum „Alte Apotheke“ in Grenzach zusammen, um gemeinsam Brettspiele zu spielen. Die Spiele wurden dabei teilweise von der Initiative „Spielend für Toleranz“ zur Verfügung gestellt. „Unabhängig von Alter, Herkunft und Hintergrund trafen sich Spieleliebhaber und Neugierige gleichermaßen, um gemeinsam eine Welt zu erkunden, in der die Sprache der Brettspiele die Brücke zur Toleranz schlägt“, schreibt die Veranstalter.

„Zauberberg“ in Grenzach

In einer Atmosphäre voll „positiver Energie“ gab es Spieleklassiker wie „Mensch-ärger-dich-nicht” oder “Das verrückte Labyrinth”. Aber auch Neuheiten wie „Dorfromantik” oder „Mysterium Kids”. „Die Resonanz war durchweg positiv und viele äußerten den Wunsch nach einer weiteren Veranstaltung“, schrieben die Veranstalter und sprechen von einem „tollen Erlebnis, das zeigte, dass Spiele die Fähigkeit haben, Menschen zusammenzubringen“.

Spiele bringen Menschen zusammen

„Zusammen together” in Bonn

Seit 2015 kommen jeden Dienstag Menschen (Familien und Einzelpersonen) mit Fluchthintergrund im Projekt „Zusammen together” zu einem aktiven Treff beim Abenteuer Lernen e.V. zusammen. Im Rahmen des Projektes bietet Abenteuer Lernen aktive Angebote in den Bereichen Handwerk, Kunst, Bewegung und Naturwissenschaften an. Es gibt Raum für Gespräche und ein gemeinsames Essen sowie in Zusammenarbeit mit der Beueler Initiative gegen Fremdenhass“ Beratung und Unterstützung bei alltäglichen Problemen“ (Anträge, Fragen zur Schule, Beruf, Wohnung etc.). Mit den Kindern wird auch gespielt, aber Brett- und Kartenspiele, die auch Erwachsene (insbesondere auch Frauen) spielen, waren bislang weitgehend unbekannt.

Das sollte sich am 5. März 2024 ändern. Mit dem zur Verfügung gestellten Spielepaket über die Aktion „Spielend für Toleranz” war ein sehr besonderer Aktionstag geplant. Über das Spielen sollten die Teilnehmenden des Projektes für Geflüchtete mit weiteren Menschen aus der Nachbarschaft, Interessierten und Spielebegeisterten in Kontakt kommen. Es sollte ein Austausch zwischen den Kulturen gefördert und ein Verständnis füreinander ermöglicht werden.

Kartenspielen in Bonn

Wir wollten Brett- und Kartenspiele vorstellen, neue Kommunikationsanlässe geben, Erfahrungsräume öffnen und insbesondere gemeinsame Spielerlebnisse schaffen. Im Vorfeld hatten wir Werbung auf unserer Homepage, über social-media-Kanäle, auf nebenan.de, im Generalanzeiger Bonn und bei einem lokalen Spieleladen gemacht. Des Weiteren wurden in den Wochen davor beim Treffpunkt für Menschen mit Fluchterfahrung über die Aktion informiert und dort Handzettel verteilt.

Viele Familien aus Syrien und Afghanistan, die auch regelmäßig zum Treff für Geflüchtete kommen, aber auch neue Gesichter aus der Ukraine und Menschen aus der Nachbarschaft, fanden den Weg zu Abenteuer Lernen  fanden ihren Weg zu uns. Über 40 Menschen verschiedenen Alters und aus unterschiedlichsten Kulturen waren gekommen.

„Klask“ und Eis für Toleranz

Nach einer gemeinsamen Begrüßung, stellten wir die Initiative „Spielend für Toleranz” vor, sowie unsere Beweggründe, diese Initiative zu unterstützen. Darüber hinaus wurde die Idee und vor allem der konkrete Ablauf erklärt: An den Tischen können verschiedene Spiele gespielt werden. Jede:r sucht sich aus, was und wo gespielt werden soll. Es kann jederzeit gewechselt und natürlich auch pausiert werden, je nach Lust und Laune. Wir ermutigten alle selber Spiele auszuprobieren oder einfach mal mitzuspielen. All dies wurde in die arabische und ukrainische Sprache übersetzt.

Beratungsversammlung: Ist es nun ein Hut oder nicht?

Es herrschte ein reges Treiben und Lachen an den verschiedenen Tischen mit den unterschiedlichsten Spielen. Auch syrische Kartenspiele wurden mitgebracht und ausprobiert. Überall wurde in unterschiedlichsten Konstellationen gespielt, mit Händen und Füßen Regeln erklärt, neue Vokabeln gelernt und neue Bekanntschaften geschlossen Es wurden viele Spiele ausprobiert, neu kennengelernt, Spiele wurden gewonnen, ohne dass die Regeln vollends verstanden waren, und vor allem: es wurde ganz viel gelacht. Zum Abschluss wurde ein Buffet aufgetragen,  das zum größten Teil die Teilnehmenden selbst mitgebracht hatten.

Für alle war es ein sehr inspirierender Abend mit neuen Impulsen und Begegnungen. Da die Spiele auch weiterhin zur Verfügung stehen und die Spiele nun auch bekannt sind, werden diese sicherlich weiterhin viel genutzt.

Toleranz spielend einüben in Heilbronn

Das Katholische Freie Bildungszentrum St. Kilian befasst sich in einer Friedensstifter-Themenwoche mit Rassismus.

Am internationalen Tag gegen Rassismus hat das Katholische Freie Bildungszentrum St. Kilian in Heilbronn einen Aktions- und Begegnungstag veranstaltet. Bei verschiedenen Brett- und Kartenspielen konnten Schüler:innen den Wert von Gleichheit und Toleranz auf unterhaltsame Weise erleben.

Ein Schritt nach dem anderen: „Das verrückte Labyrinth“

Das ist Ziel hinter der Initiative „Spielend für Toleranz“, die insbesondere durch den Verein Spiel des Jahres unterstützt wird. Roland Farkas hatte die Idee, sich mit dem Bildungszentrum als Ausrichter einer „Spielend für Toleranz“-Veranstaltung zu bewerben. Der Lehrer für Religion, Latein und Philosophie bezeichnet sich selbst als großen Brettspielfan.

Austausch bei einer kenianischen Spezialität

Dank der Bewerbung bekam die Schule ein Spielepaket für die Veranstaltung. „Spielen verbindet und baut Brücken. Alle sind gleich, für alle gelten dieselben Regeln“, erklärte Farkas den Grundgedanken. In der Aula des Bildungszentrums konnten sich Schüler:innen an Tischen versammeln, um gemeinsam zu spielen. Nach etwa 25 Minuten sollten sie dann jeweils zu einer anderen der rund ein Dutzend Stationen wechseln.

Und dann: Mandazi

Am Mittag organisierte der zwölfte Jahrgang einen Hotdog-Verkauf. Am Nachmittag wurde der Aktionstag um eine Begegnung und einen Austausch mit Vertreter:innen des Deutsch-Afrikanischen-Vereins und des Netzwerks gegen Rechts ergänzt. Für dieses „Café gegen Rassismus“ wurden gemeinsam kenianische Mandazi gebacken.

Die „Spielend für Toleranz“-Veranstaltung fand im Rahmen des Projekts Friedensstifter des Bildungszentrums statt. Innerhalb eines Schuljahrs gibt es Projektwochen zu einzelnen Themen. So stand neben dem Spieletag zum Beispiel auch ein Workshop gegen Rassismus auf dem Programm der Friedensstifter-Themenwoche.

Arkadius Guzy
Stabsstelle Mediale Kommunikation der Diözese Rottenburg-Stuttgart in der Region Heilbronn-Franken